VI ZR 252/19; Haftung geklärt; kann ich jetzt noch klagen?

Nachdem BGH nun durch Urteil vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19) die Haftung von Volkswagen im Dieselskandal bei Motoren des Typs EA 189 geklärt hat, fragen sich viele Geschädigte, die sich nicht bei der Musterfeststellungklage angemeldet hatten, ob sie nun noch klagen können.

Problem Verjährung

Volkswagen erhebt in diesen Verfahren die Einrede der Verjährung, aber greift diese durch?

Nein, meint RA Koch, der zahlreiche Verfahren gegen VW führt. Denn ein Beginn der Verjährungsfrist vor dem 01.01.2017 liegt seines Erachtens nicht vor.

Dies aus folgenden Gründen. Die Verjährung beginnt zu laufen, wenn der Anspruchsberechtigte Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von allen anspruchsbegründenden Tatsachen hat, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

Die Geschädigten wussten aber vor dem 01.01.2017 nicht, dass

a) ihr Fahrzeug eine illegale Abschalteinrichtung hatte (VW hat dies immer wieder bestritten)

b) ihr Fahrzeug einer dauerhaften Gefahr der Betriebsstillegung oder -einschränkung unterlag (auch das hat VW fortlaufend bestritten und dies war für den BGH ein wesentlicher Umstand, der die Haftung begründet)

c) VW planmäßig, auf einer strategischen Entscheidung der Führungsebene der Volkswagen AG beruhend millionenfach das KBA getäuscht hat bei der Erschleichung der Typengenehmigung und dabei die Schädigung der Kunden und der Umwelt eingeplant hat (auch das war für den BGH maßgeblich)

d) den subjektiv erforderlichen Komponenten des Anspruchs (Profitgier der Handelnden bei VW)

e) aufgrund der bis ins Jahr 2019 diametralen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, dass überhaupt ein Anspruch gegen VW besteht

Die Tatsachen waren den Geschädigten auch nicht grob fahrlässig unbekannt.

Daher lief die Verjährung vor dem 01.01.2017 nicht an. Es ist eben nicht ausreichend, dass der Geschädigte nur weiß, dass sein Auto von einem „Dieselskandal“ betroffen“ ist und ein Softwareupdate erfolgt, so auch aktuelle Entscheidungen der Landgerichte Duisburg, Frankfurt und Trier.

Rückenwind bekommt diese Auffassung auch durch diverse aktuelle Urteile anderer Landgerichte.

Nach dem LG Oldenburg (Urteil vom 14.08.2020) haben nun auch das 

LG Bamberg Endurteil vom 01.09.2020 – 42 O 105/20 

und das

LG Ravensburg, Urteil vom 01.09.2020 – 2 O 171/20

zutreffend geurteilt, dass vor dem 01.01.2017 eine Verjährung keinesfalls zu laufen begann und daher Klagen im Jahr 2020 noch rechtzeitig sind. 

Ausgangslage

Die Haftung von VW ist nun geklärt.

Der BGH hat mit Urteil vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19) die Haftung von Volkswagen im Dieselskandal bei Motoren des Typs EA 189 grundsätzlich bejaht.

Aktuell melden sich immer wieder geschädigte Käufer, die sich aber nicht an der Musterfeststellungsklage am OLG Braunschweig beteiligt hatten und fragen, ob sie nun noch klagen können.

Problem Verjährung

Da Volkswagen in diesen Verfahren die Einrede der Verjährung erhebt, stellt sich die Frage, ob diese durchgreift.

Nein, meint RA Koch, der zahlreiche Verfahren gegen VW führt und in seiner Rechtsauffassung auch durch aktuelle Urteile bestätigt wird.

Denn die Geschädigten wussten regelmäßig vor dem 01.01.2017 nicht, dass

a) ihr Fahrzeug eine illegale Abschalteinrichtung hatte (VW hat dies immer wieder bestritten)

b) ihr Fahrzeug einer dauerhaften Gefahr der Betriebsstillegung oder -einschränkung unterlag (auch das hat VW fortlaufend bestritten und dies war für den BGH ein wesentlicher Umstand, der die Haftung begründet)

c) VW planmäßig, auf einer strategischen Entscheidung der Führungsebene der Volkswagen AG beruhend millionenfach das KBA getäuscht hat bei der Erschleichung der Typengenehmigung und dabei die Schädigung der Kunden und der Umwelt eingeplant hat (auch das war für den BGH maßgeblich)

d) den subjektiv erforderlichen Komponenten des Anspruchs (Profitgier der Handelnden bei VW)

Dies bestätigen nun auch die Landgerichte Bamberg und Ravensburg. Sie führen dazu auszugsweise aus:

LG Bamberg, aaO:

"Der Beklagten ist es bereits nicht gelungen, darzulegen und zu beweisen, dass eine Kenntnis des Klägers von der Betroffenheit ihres Fahrzeuges von dem sog. „VW-Abgasskandal“, der bereits im Jahre 2015 Gegenstand eine adhoc Mitteilung und der medialen Berichterstattung war, schon im Jahre 2015 bestand.

Demgegenüber ist auch nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger grob fahrlässig von diesem Umstand in Unkenntnis geblieben ist. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesem Fall fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (...).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze - denen das Gericht folgt - war dem Kläger eine Klageerhebung weder im Jahre 2015 noch im Jahre 2016 zumutbar. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger noch nicht sicher abschätzen, ob sein Fahrzeug überhaupt von der „Umschaltlogik“ betroffen ist bzw. ob und inwieweit sich hieraus Ansprüche seinerseits ergeben.

Insoweit ist darauf abzustellen, dass die Bewertung des Verhaltens der Beklagten in einer Vielzahl der oben ersichtlichen rechtlicher Einzelpunkte des Anspruchs nach § BGB § 826 BGB (Bestehen eines Schadens trotz Weiternutzungsmöglichkeit, Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung - Bindungswirkung des Bescheids des KBA, Schutzzweck der Norm, Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten, Vorsatz aufgrund Organisationsverschuldens) erst im Jahre 2020 abschließend durch eine höchstrichterliche Entscheidung geklärt wurden und deshalb im Jahre 2016 auch ein rechtskundiger Dritter die Rechtslage nicht zuverlässig einschätzen konnte."

und das LG Ravensburg, aaO:

"Denn die Voraussetzungen des Verjährungsbeginns gem. § BGB § 199 Abs. BGB § 199 Absatz 1 Nr. BGB § 199 Absatz 1 Nummer 2 BGB lagen frühestens Ende des Jahres 2017 vor, auch wenn die VW AG mit einer (gem. § EWG_VO_596_2014 § 17 MMVO kapitalmarktrechtlich vorgeschriebenen) Adhoc-Mitteilung vom 16.09.2015 erstmals „eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb“ bei dem Motor des Typs EA 189 öffentlich eingeräumt hat und auch danach über den Abgasskandal in der Presse ausführlich berichtet wurde.

Aus der Adhoc-Berichterstattung der Beklagten war nicht zu ersehen, ob die „Abweichung“ einen Mangel darstellt und wer dafür verantwortlich ist und in Haftung genommen werden kann. In der Mitteilung wird auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Konzern die Öffentlichkeit über den weiteren Fortgang der Ermittlungen fortlaufend und transparent informieren wird. Das Gericht hat keine Anhaltspunkte dafür, dass eine entsprechende transparente Information im Jahr 2015 oder 2016 erfolgt ist. Allein die Tatsache, dass die Betroffenheit des individuellen Fahrzeugs auf der homepage der jeweiligen Hersteller der Fahrzeuge abgeklärt werden konnte, reicht dafür jedenfalls nicht aus (...).

 Außerdem war unklar, was der Grund für die Abweichung im realen Fahrbetrieb ist, wer dafür verantwortlich ist und wer deshalb in Anspruch genommen werden kann. Bis heute hat die Beklagte vehement bestritten, dass in den Fahrzeugen eine unzulässige Software installiert ist und ihr Vorstand davon Kenntnis hatte, und erst ab dem Jahr 2017 hat sich beginnend bei den Gerichten erster Instanz allmählich in der Rechtsprechung abgezeichnet, dass in vergleichbaren Fällen auch ohne weitere Aufkllärung durch die Beklagte (zu der sie mühelos imstande gewesen wäre), ein Schadenersatzanspruch aus § BGB § 826 BGB besteht, weil die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist. Bevor diese Rechtsprechung sich verfestigt hatte und obergerichtliche Entscheidungen vorlagen, war eine Klageerhebung für den Kläger überhaupt nicht zumutbar.

Es gibt auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aufgrund anderer Informationen bis zum Jahr 2017 Kenntnis von der durch die Beklagte installierten Abschalteinrichtung ohne grobe Fahrlässigkeit erlangte, oder ihm jedenfalls ein grober Obliegenheitsverstoß in eigenen Angelegenheiten bei der Anspruchsverfolgung vorzuwerfen ist, weil er sich diese Kenntnis damals nicht verschafft hat."

Es ist eben nicht ausreichend, dass der Geschädigte nur weiß, dass sein Auto von einem „Dieselskandal“ betroffen“ ist und ein Softwareupdate erfolgt, so auch aktuelle Entscheidungen der Landgerichte Duisburg, Frankfurt und Trier.

Ebenso das LG Krefeld mit Urteil vom 19.08.2020 – 2 O 541/19.

Auch danach sind Ansprüche noch nicht verjährt.

Hinzu kommt, dass aufgrund der bis ins Jahr 2019 diametral sich widersprechenden Rechtsprechung der verschiedenen Oberlandesgerichte keine hinreichend Klarheit über das Bestehen eines Anspruch bestand.

 

Neulauf der Verjährung durch Update

Weiter ist noch ungeklärt, ob nicht das Update eine Handlung nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist, die einen Neulauf der Verjährung bewirkt.

Anspruch nach § 852 BGB nicht verjährt

Weiter können sich Geschädigte auf § 852 BGB beziehen, dass Volkswagen jedenfalls das, was durch den Betrug erlangt wurde, noch binnen 10 Jahren herauszugeben ist, dazu auch Augenhofer, VuR 2019, 83 und aktuell AG Marburg.

Schon deshalb ist der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (ggf. gekürzt um eine Händlermarge) unverändert zu erstatten,

Ansprüche daher prüfen

Sollten Sie daher ebenfalls ein Dieselfahrzeug mit dem Motor EA 189 besitzen, sollten Sie Ihre Ansprüche prüfen.

RA Koch, Mitglied der IG Dieselskandal, bietet mit der Erfahrung zahlreicher gerichtlicher Verfahren im Dieselskandal Geschädigten dazu eine kostenfreie Ersteinschätzung an. Sprechen Sie uns an!

Sebastian Koch

Rechtsanwalt

 

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